Es ist ein Anblick, bei dem einem fast die Worte fehlen. Als hätte einem der lange Winter die Sprache verschlagen. Die Tiefe des Morgenhimmels spiegelt sich im ebenso tiefen Blau des Meeres an der Côte d´Azur, nur durchzogen von einer dunklen Horizontlinie, über der ein leuchtend roter Streifen immer rascher an Intensität gewinnt.
16. Februar 2019 – Die Teilnehmer der 22. AvD-Histo-Monte sitzen beim Frühstück im Hotel Pullman am weiten Bogen der Bucht von Cannes und werden von diesem Schauspiel in den Bann gezogen. Es ist bereits der fünfte und letzte Tag dieser Oldtimer-Rallye von Rothenburg bis Monte Carlo, aber die vielleicht schönste Tour steht noch bevor. Die Stimmung ist gut, die Anstrengungen der letzten Tage legen sich langsam und das gute Gefühl kommt auf: ja, wir haben es geschafft!
Die Sonne geht auf, die den Winter schon im Februar mit ihrer Kraft hinweg fegt und mit ihrem besonderen Licht von den Malern der Klassischen Moderne erzählt, die vor fast hundertfünfzig Jahren bereits aus dem Norden an die Riviera einwanderten, um ihre Erfüllung in der besonderen Kraft der mediterranen Farben zu finden. Aber auch die Engländer zog es bereits früh von der nebligen Insel an die französische Südküste. Mondäne Urlaubsorte und legendäre Hotels entstanden. Dann kamen die Casinos und bald war auch das Fürstentum Monaco im großen Spiel.
Ab 1911 gab es auch die Rallye Monte-Carlo als Zielfahrt mit Startorten in ganz Europa. Aber rund um das Fürstentum ist das heilige Kernland der „Quer-ist-mehr“-Fraktion, hier finden sich die Etappen, die allesamt zur Legende wurden und von denen einige der berühmtesten während der letzten Etappe der AvD-Histo-Monte auf dem Programm stehen werden!
So geht es hinauf über die Haarnadeln auf den Col de Turini, über Kehren, die wie die Schwalbennester an die nackte Wand gebaut sind, ein Ritt zwischen Himmel und Erde, gewürzt durch mehrere Wertungsprüfungen mit anspruchsvollem Schnitt, schließlich gewinnt man ein AvD-Histo-Monte nicht durch Däumchendrehen. Kleine Krönung vielleicht der echte Blaubeerkuchen aus der Hand von Madame Laetitia im Hôtel Les Trois Vallées, oben auf dem Pass, auf dem auch Rallye-Weltmeister Walter Röhrl seine größten Triumphe feierte.
Auch bei der AvD-Histo-Monte ist ein zweifacher Rallye-Weltmeister dabei. Miki Biasion, Weltmeister von 1988 und 1989, kann Jean-Marc Bonnay, dem stellvertretenden Rallyeleiter, eine Runde bei der Schlussetappe nicht abschlagen! So fährt der sympathische Italiener mit seiner Lancia Fulvia den Samstag nicht nur mit, sondern übergibt abends auch bei der großen Gala zur Siegerehrung (Foto rechts) die Pokale unter donnerndem Applaus der Teilnehmer.
Aber das war am Samstagmorgen noch Zukunftsmusik. Zuerst führte die letzte Etappe durch die Olivenwälder Liguriens und über die italienische Grenze, um auch einigen der großen Mythen der Rallye San Remo zu folgen! Mittags dann im legendären Restaurant Dall´Ava in San Romolo, hoch über San Remo, mit einem atemberaubenden Blick hinunter zum Meer. Das alte Hauptquartier von Generationen an Rallye-Piloten wurde zur Mittagstafel, bevor die 33. und letzte Wertungsprüfung gemeistert werden wollte – dann erst waren die Sieger ermittelt.
Das Feld erreichte am späten Nachmittag schließlich den klassischen Zielbogen am Yachthafen von Monaco, wo alle durch Rallyeleiter Peter Göbel mit der karierten Fahne begrüßt und abgewinkt wurden, ein schönes Erinnerungsfoto inklusive.
Abends dann die große Gala im Hotel Pullman Royal Casino in Cannes, als zum Dinner die Sieger auf die Bühne gerufen werden. Kabarettist Urban Priol, treuer Teilnehmer der AvD-Histo-Monte, freut sich mit Seitenhieb auf die aktuelle politische Situation, den Feinstaub wider Erwarten sogar in der Tiefgarage von Aix-les-Bains überlebt zu haben.
Noch lange wird ausgiebig gefeiert. Alle Drangsal, alles Hadern ist vergessen. Aber die Erinnerung wird bleiben, an eine AvD-Histo-Monte 2019 bei herrlichstem Wetter und einem krönenden Abschluss am Meer mit einem rauschenden Fest bis in die Nacht.
Den Gesamtsieg feierten Horst Weck und Beifahrer Udo Pilger (Porsche 911, Foto oben). „Es freut uns, dass wir diese sehr sportlich ausgelegte AvD-Histo-Monte gewonnen haben. Bei dieser Rallye wurde nicht nur der Beifahrer, sondern auch der Fahrer stark gefordert“, lautete Wecks Fazit. Die weiteren Plätze auf dem Podium belegten Dirk Thomin/Timo Bittmann (Porsche 924S) und Peter Kochenrath/Jörg Ramme (Audi GT 5 E).
Den Klassensieg in der Sanduhr-Wertung, in der ausschließlich mechanische Uhren und Messinstrumente verwendet werden durften, ging an Dr. Ernst F. Schröder und Beifahrer Harry Suchentrunk (Porsche 356 B 1600). „Mit mechanischen Geräten sind die Prüfungen wirklich sehr anspruchsvoll. Das ändert aber nichts daran, dass wir einen Riesenspaß hatten“, kommentierte Dr. Schröder. Der Sonderpreis für das exotischste Fahrzeug im insgesamt 90 Teilnehmer starken Feld erhielten Michael Bailey und Copilot Lars Zander. Das australisch-deutsche Duo nahm die rund 1.860 Kilometer lange Reise von Rothenburg ob der Tauber nach Monte Carlo in einem originalen Ford Escort Cosworth aus der Rallye-Weltmeisterschaft 1996 unter die Räder.