Kuhmist und Freibier – so war der erste Tag der AvD-Histo-Monte 2022

Schon der Prolog der 23. Histo-Monte trennt die Spreu vom Weizen. Auf der rund 100 Kilometer langen Schleife von und nach Rothenburg ob der Tauber spielen sich die ersten Drämchen ab, für die meisten Teilnehmer und die beachtliche Zahl von Schaulustigen ist der Auftakt eine wahre Gaudi. Unter den Fans ist auch ein nicht ganz Unbedeutender.

Der Fahrgast war schwer beeindruckt: „Unglaublich. Ich dachte, das wäre eine gemütliche Ausfahrt“, staunt Oberbürgermeister Markus Naser nach dem Auftakt zur 23. AvD-Histo-Monte. Kein Geringerer als Kabarett-Legende Urban Priol chauffierte das Stadtoberhaupt über die ersten 105 Kilometer des Prologs. Im BMW 2000 Tilux beeindruckte er mit Beifahrer Fabian Seydel den 41-Jährigen Politiker der Freien Wähler nachhaltig. „Wie die immer diesen Schnitt halten müssen. Die haben ja richtig zu tun“, staunte der Amtsträger.

Der Leiter der mittelalterlichen Reichsstadt hat der Rallye buchstäblich Tür und Tor geöffnet. Die 69 Starter parken auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus, in dem der promovierte Geschichtswissenschaftler schon am Tag vor dem Start durch den größten mittelalterlichen Sitzungssaal Deutschlands führt und in Ideen für die 24. Histo-Monte schwelgt, vom Empfang im Rathaussaal aus dem 14. Jahrhundert bis zur Blaskapelle. „Wir haben da noch einiges im Köcher“, verspricht die Rathausbesatzung.

Nicht nur die Stadtoberen bereiten der Rallye einen warmen Empfang: Zwischen den Autos tummeln sich hunderte Schaulustige und schicken die Teilnehmer mit warmem Applaus auf die Reise. Zuvor hatte sich die Mannschaft um Apotheker Dr. Benedikt Stegmann im Corona-Testzentrum um die Einhaltung sämtlicher Impfdokumente der Teilnehmer gekümmert.

„Das einzig Dumme an Winter-Rallyes ist, dass es kalt ist“, frotzelt Streckensprecher Peer Günther. Aber trotz Dunkelheit und Nieselregen stehen mindestens 150 Zuschauer in Röttingen, mindestens doppelt so viele in Weikersheim.

Thomas Schmiedel spaziert in Tweet-Sacko und Schottenrock übers Marktpflaster und sagt: „Toll, diese alten Autos zu sehen.“ Der Rothenburger hat sich nicht etwa für die Veranstaltung herausgeputzt. „Ich habe eine große Leidenschaft für Schottland und trage seit Jahren Kilt“, schwört er und posiert fröhlich vor dem Austin Healey von Ralf Klaus und Hans-Georg Ahrens.

Wenn Tina Annemüller vor ihrer ersten Gleichmäßigkeits-Rallye nervös, war, lässt sich das am Resultat nicht ablesen. Die Stammbeifahrerin von Dominik an der Heiden in der Deutschen Rallyemeisterschaft rollt mit dem Histo-Monte-Sieger von 2016 mit 0,0 Sekunden Abweichung aus der ersten Prüfung. Die Sieger des Tages aber heißen Zoltán Horvath und Lajos Boros. Die beiden Histo-Monte-Neulinge aus Ungarn setzen in ihrem Lancia Fulvia mit nur einer Sekunde Abweichung nach drei Prüfungen und 29 Kontrollen eine fette Duftmarke.

Ansonsten bestimmt frische Landluft die erste Ausfahrt der 69 Starter. Alexander Haller versucht seinen neuen Beifahrer Dominik Schubert auf dem Gewirr aus Landwirtschaftswegen noch zu warnen vor dem aufgewirbelten Kuh-Dung, aber was nützt das schon, wenn man in einem offenen Riley durch die Landschaft fährt. Vielleicht ist die Ankündigung, weder Auto noch Overalls vor der Zielankunft in Monaco waschen zu wollen, noch einmal zu überdenken.

Keine Sekunde haben Hannes Streng und Alexander Haselmann nachgedacht: Der Oldsmobile hat ein Verdeck, und das bleibt offen. „Toll. Da sind ja schon ein paar Verrückte am Start“, sagt Lutz Leif Linden beeindruckt. Während der AvD-Generalsekretär gesteht, er würde die Fahrt in einem geschlossenen Auto vorziehen, schaut eine Anwohnerin im Parka mit Leopardenmuster sehnsüchtig der Pelzmütze von Streng hinterher und schmachtet: „In so einem Schlitten wollte ich schon immer mal fahren.“

Motor-Klassik-Redakteur Kai Klauder hat mit Beifahrer und Mechaniker Markus Böhm seine erste Herausforderung schon vor dem Start meistern müssen. Am Original-Opel-Ascona 400, mit dem Walter Röhrl vor 40 Jahren für seinen Monte-Carlo-Sieg probte, streikt direkt vor der technischen Abnahme beim TÜV-Süd in Rothenburg die Scheibenwaschpumpe. Zum Glück ist direkt nebenan eine Opel-Niederlassung, die das Teil wieder ans Laufen bringt. Weil auch die Zündung zwischenzeitlich streikt, schafft es das Auto mit der hintersten Startnummer 74 in letzter Minute pünktlich an den Startbogen. Etwas arg spät kommen sie aus einer der Prolog-Prüfungen, die Kontrolle ist schon abgebaut. „Ich könnte jetzt nach Ausreden suchen, aber wir sind zwei Mal falsch abgebogen“, gesteht Klauder.

Beim Verfranzen ist die Ascona-Besatzung in guter Gesellschaft: Im Gassen-Gewirr der Rothenburger Altstadt rollen nicht wenige Autos von der falschen Seite auf den Marktplatz. Unter denen, die 50 Meter vor dem Zielbogen kehrt machen, ist auch das Trio Priol, Seydel und der Bürgermeister. „Das ist aber kein passender Fahreranzug“, sagt eine Bürgerin beim Anblick des im langen, schwarzen Mantel austeigenden Stadtoberhaupts. Das würde am kommenden Tag am liebsten mit in Richtung Mittelmeer fahren, anstatt den Haushaltsentwurf vorzubereiten. Da stellt sich die Frage, wer denn eigentlich im Rathaus die Urlaubsanträge abzeichnet. „Na ja, „seufzt Markus Naser: „Am Ende der Wähler.“ „Ach, meine Stimme haben sie“, sagt die fröhliche Passantin.

Anstatt sich über die versäumte Fernreise zu grämen, konzentriert sich der OB lieber auf das nächste Heimspiel. Wenn der Gegner nicht mehr Corona heißt, will man in der alten Reichsstadt groß aufspielen. Für die nächste Histo-Monte 2024 verspricht Naser: „An 1000 Litern Freibier soll es nicht scheitern.“

Text: Markus Stier

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