Unablässiger Regen spült das Feld auf der längsten Etappe weich – ganz vorne tobt ein extrem spannender Kampf.

Noch bevor der Erste in Aix-les-Bains das Licht ausknipst, hat der Himmel die Schleusen wieder geöffnet. Es nieselt am Donnerstagabend, es regnet am Freitagmorgen. Der deutsche Rallye-Rekordmeister Matthias Kahle aus dem Vorausauto berichtet von einer kurzen Trockenphase und behauptet: „Wir sind sogar ausgestiegen.“

Regen und nix wie Regen. An wenigen Stellen war es am vierten Tag tatsächlich trocken. Und wenn, dann auch nur von oben. Trotzdem blieb die Stimmung unter den Teilnehmern gut, es gab nur wenige aufregende Momente.

Abkaufen will ihm die Geschichte keiner. Es regnet nie wirklich heftig, aber dauernd und stetig. Es ist der vierte Tag, und nach 13 Stunden gegen Regen und Wind über die mit 570 Kilometern längste Etappe liegen bei einigen die Nerven blank, andere sind kurz vorm Überschnappen, viele nur müde, und die vierte Sorte Mensch hält den Moment für gekommen, um sich ungeschminkt alles Aufgestaute an den Kopf zu werfen: „Da kannst du aber sicher sein, dass wir dem Herrn Papa das ausführlich aus Brot schmieren“, sagt Thomas Townson, Beifahrer von Überraschung Sophia Faber, die sich auf Rang 17 etabliert hat über deren Vater Christian, der nur auf  Platz 45 rangiert. Mit vollen Hosen ist gut stinken. Die Crew hat am Quattro A2 der Tochter gerade rechtzeitig den Scheibenwischer repariert. Apropos Durchblick: „Der hat gestern noch seine Sonnenbrille gesucht. Kannst du dir das vorstellen“, blödelt 280E-Beisitzer Ulrich Barnewitz fröhlich über seinen Lenker Alexander Sporner.

Die Sonnenbrille konnte Pilot Sporner im Handschuhfach lassen. Im Mercedes-Banz 280E hatten er und Beifahrer Ulrich Barnewitz jede Menge Fahrspaß.

Was für eine Verschwendung: Das sich scheinbar unschuldig türkis dahinringelnde Flüsschen Verdon begann einst, sich eine Furche in den Kalk zu ritzen. Klingt sofort deutlich eindrucksvoller, wenn man weiß, dass es damit begann, kurz nachdem die Dinosaurier ausstarben. Mittlerweile ist die Scharte 21 Kilometer lang, bis zu 700 Meter tief und eine der größten Touristenattraktionen Frankreichs – wenn man sie denn sehen könnte. Da hat sich Thomas Groschek vier fette Halogenscheinwerfer auf den Dachgepäckträger seines BMW 325 iX geschraubt, und der nutzt ihm gerade gar nichts. Nach Einbruch der Dunkelheit hat sich zusätzlich dichter Nebel über die Schlucht gelegt. Groscheks Glück ist, dass seine Copilotin Mamas Gene abbekommen hat: „Ich hab eine geniale Tochter“, sagt er im Ziel stolz. „Die hat mich mit Google Earth dadurch gelotst. Die wusste bei jeder Kurve, wo’s langgeht.“ Der Kniff mit dem Handy und eine auch so gute Leistung bringen Vater und Tochter auf Gesamtrang zehn.

Die vier Zusatzlampen kamen am Abend zum Einsatz, davor waren es gute Regenreifen und Schwimmflügel. Selten hat es bei der AvD-Histo-Monte so viel geregnet, wie bei dieser Ausgabe. Und auch für den letzten Tag hat der Wetterbericht schon mal vorgewarnt mit einer Variablen: auf dem Col de Turini schneit es seit wenigen Stunden heftig.

Den Durchblick nie verloren haben Andreas Zunehmer und Rolf Pellini im Renault 5 Turbo, die mit 135 Strafpunkten um eine Zierleistenbreite die Führung vor dem BMW 528i von Reinhard Siegmeier und Erwin Becher verteidigen. Vorjahressieger Jens Herkommer hatte die Hand schon wieder am Pott. 13 geheime Kontrollen gab es am Col de Bel Homme, Herkommer und Co Maik Poppe fahren 13 Mal null. „Das habe ich überhaupt noch nie erlebt“, sagt Fahrtleiter Peter Göbel platt. Wie gewonnen, so zerronnen am Col de Garcinets: Vor vier Jahrzehnten eine gern gewählte Prüfung, aktuell ist die 12,6 Kilometer Piste durch Wasser und Frost  im Laufe der Jahrzehnte zu einer üblen Rodeo-Strecke geworden, auf der im Januar noch das Hyundai-Werksteam Fahrwerksabstimmungen für die Rallye Monte Carlo testete. Herkommer schraubt unnachgiebig weiter an der Feinabstimmung seines Tripmasters und kassiert am Garcinets 18 Miese. Statt erneuter Führung heißt das in der Endabrechnung Platz drei, aber nur einen Strafpunkt hinter den Zweitplatzierten.

Aktuell die Nummer 1 in einem der kleinsten Autos im Feld: Andreas Zunehmer und Rolf Pellini im Renault 5 Alpine Turbo stehen nach einem fast astreinen Tag an der Spitze der 24. AvD-Histo-Monte. Aber: die Plätze 1 bis 3 trennen gerade einmal 3 lächerliche Sekunden.

Die längste Etappe fordert Opfer. Hannes Streng und sein Oldsmobile fallen als Wetterfrosch für die finale Etappe aus. Die Bremsen sind hinüber. Die Bielefelder Porsche mit den Nummern 12 und 16 sind ausgefallen. Der Elfer von Jürgen Budde ist mit Motorschaden gestrandet, das Schwesterauto Christoph Wolf-Harras mit Getriebepanne. 67 haben den Ritt von Savoyen an die Küste überstanden, am finalen Samstag werden 68 wieder losfahren. Audi Tradition hat nicht irgendeinen, sondern DEN Quattro überhaupt nach Cannes gebracht. Den Flügelmonster-S1 E2 wird mit 530 PS wird nicht irgendwer, sondern der eine und einzige Walter Röhrl fahren wird. „Das will ich mir nicht entgehen lassen“, sagt der viermalige Monte-Sieger, verschleppte Erkältung hin oder her. Der Wetterbericht prognostiziert für morgen eine 95 prozentige Regen-Wahrscheinlichkeit – und das Vorauskommando vermeldet schon heute: Schnee am Turini.


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