Beim Auftakt gibt es erste Defekte und Verirrte. Zum Glück zählt diese noch nicht zur Gesamtwertung.

92,7 Kilometer, das klingt so harmlos. Aber als der Schlusswagen ins Ziel des Prologs rollt, fehlen noch eine Handvoll Autos. Zum einen hat der Pannen-Service des AvD schon gut zu tun. Im Porsche 911 von Christoph Harras-Wolff und Gereon Wischerhoff ist man sich nicht ganz einig, ob es beim Hochdrehen des Sechszylinder-Boxers im Motor oder im Auspuff geknallt hat, sicherheitshalber schickt das Team einen reitenden Boten, um über Nacht aus dem lediglich 390 Kilometer entfernten Bielefeld vorsorglich Ersatzteile zu beschaffen.

Zudem ist die Navigation auf dem Prolog von und nach Rothenburg ob der Tauber mit ihren zahlreichen Abzweigen nicht ganz ohne Anspruch. Gerade auf den letzten Metern in der Rothenburger Altstadt herrscht leichte Verwirrung: „Ich dachte, wir gucken uns das noch mal in Ruhe aus der anderen Richtung an“, lautet die dünne Ausrede von Mini-Fahrer Axel Vögele über das aus der falschen Richtung angesteuerte Etappenziel. Stefan Schillinger schafft es, seinen Volvo Amazon 30 Meter vor dem angestrahlten Zielbogen noch in die Gegenrichtung zu lenken und behauptet: „Wir hatten da hinten noch eine Verabredung.“

Oberbürgermeister Dr. Markus Naser (re.) und AvD-Histo-Monte-Chef Peter Göbel starten um 17:00 Uhr das erste Fahrzeug zur 24. AvD-Histo-Monte 2024. Erneut ist die mittelalterliche Kleinstadt Startort der Winter-Rallye auf den Spuren der Rallye Monte Carlo.

Ewald Sprey hat wie gewohnt die Startnummer 5, kommt aber mit seinem Porsche 356 Erster ins Ziel. „Dunkel war’s“ sagt der Mann im mit Baujahr 1957 ältesten Auto im Feld. Einige stöhnen über das Abzweiglabyrinth in der Finsternis, andere begegnen der ersten Herausforderung der diesjährigen AvD-Histo-Monte mit eiserner Zuversicht. Mit offenem Fenster und erhobener Jubel-Faust beendet Jens Hermsmeier den Auftakt in seiner 280SL Pagode. Als Jens Dralle auf dem Beifahrersitz im Skoda Favorit selbstkritisch feststellt: „Die Zeiten stimmen nicht“, konzentriert sich auto-motor-und-sport-Kollege Jörn Thomas einfach auf das „geile Dogbox-Getriebe“, des tschechischen Gruppe-A-Boliden. Christian Rose lächelt die Nickeligkeiten der Streckenführung einfach weg: „So wie es sein soll.“

Achtung geheime Durchfahrtskontrolle: Der Prolog zählt zwar noch nicht zur Gesamtwertung, doch die erste versteckte Kontrolle gab es trotzdem. Das Audi Quattro-Team Sophia Faber und Thomas Townson hatten keine Probleme und holten sich sicher den ersten Stempel in die Bordkarte.

Der Prolog wird eine klare Beute des Skoda-Werksteams. Rose hat zwar die erste Prüfung komplett verhauen, gewinnt im Skoda Octavia von 1960 zwei der drei Prüfungen. Vorjahressieger Jens Herkommer, der vor dem Start über eine um „15 Zentimeter“ zu kurze Eichstrecke mault und schwört, der Tripmaster liefe zu schnell, gewinnt mit minimaler Abweichung souverän die erste Prüfung und den Prolog. „Vielleicht sollten wir abends die Selbsteinschätzung abfragen, und bei größeren Abweichungen Sanktionen verhängen“, kontert Rallye-Chef Peter Göbel trocken.

Die jüngsten Fans: Die Winter-Oldtimer-Rallye begeistert in Rothenburg ob der Tauber einfach alle.

Konfuzianische Weisheit und buddhistischer Gleichmut wehen durch den BMW 2800 CS ihrer Durchlauchten Christian Graf von Wedel und Copilot Franz Graf zu Ortenburg. Der frühere AvD-Vizepräsident geht die Sache defensiv an: „Man denkt ja immer, man wäre erfolgreich, und am Ende ist man doch wieder nur auf Platz 38.“ Am Ende ist es aber Rang 24.

Als klaren Tagessieger sieht sich die Stadt Rothenburg. „Ist das nicht ein Traum?“ schwärmt Oberbürgermeister Dr. Markus Naser. „All die schönen Autos.“ Dass trotz steifer Brise, die sich bei acht Grad auf dem Thermometer wie vier Grad anfühlt, reichlich Volk auf dem Marktplatz steht und das bunte Feld bewundert, wundert das fraktionslose Stadtoberhaupt kein bisschen: „Wir sind ja strukturschwacher Raum. So einen richtigen ÖPNV gibt es hier ja praktisch nicht, und allein deshalb sind die Leute hier immer noch Auto affin.“

Die AvD-Histo-Monte hat viele besondere Momente. So auch der abendliche Zieleinlauf am Marktplatz in Rothenburg ob der Tauber. Der Lancia Delta Integrale im Martini-Racing-Design gehöre schon damals zu den beliebten Motiven bei der echten Monte.

Zum Beweis stehen trotz kaltem Luftzug zwei Teenager in engen Hosen und dünnen Jacken eisern bis zum letzten Teilnehmer am Start. Lisa und Lea wohnen in der Umgebung. Die Mädchen sind nach der Schule in der Stadt geblieben und haben auf die Autos gewartet. Lisa steht grundsätzlich auf BMWs, Lea entpuppt sich als Kennerin: „Mein Lieblingsauto ist der Mazda MX5 Miata, erste Baureihe.“ Damit dürfte Lea schon bei der AvD-Histo-Monte starten, wenn sie denn schon einen Führerschein hätte. Beide sind erst 15.

Den Preis für die weiteste Anreise gewinnen zwei Passanten: „Do you speak English“, fragen Amber und Matthew. Sie stammen aus British Columbia, Kanada und sind zufällig auf ihrem dreiwöchigen Europaurlaub in der Stadt. Matthew ist Oldtimer und Muscle Cars von einem jährlichen Treffen in seinem Golfclub gewohnt, vom Teilnehmerfeld der AvD-Histo-Monte ist er komplett begeistert: „Real Rally Cars – awesome!“


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