Nach garstigstem Winter zu Beginn der Rallye genossen die 63 verbliebenen Teilnehmer an einem Sonntag, der seinem Namen alle Ehre machte, einen Ausflug über legendäre Rallye-Strecken. Am Ende der 19. AvD-Histo-Monte hatte ein Neuling die Nase vorn.
Die Rallyeleitung recherchiert noch, wo die Teilnehmer bei dem eng gesteckten Zeitplan die Gelegenheit gefunden haben, sich zusammenzurotten und abzusprechen. Anders ist jedenfalls kaum zu erklären, wie sich die Aussagen im Ziel glichen. Porsche 911-Fahrer Klaus Schepper rapportierte: „Tolles Wetter, tolle Strecken.“ „Kompliment, das war eine ganz feine Veranstaltung“, sagte Friedrich von der Leyen, der im Porsche 924 ins Ziel kam. Der Neukirchener ist kein Monte-Carlo-Greenhorn. Er durfte schon dem Fürsten die Hand schütteln, als er 1969 in einer Alpine die Gruppe 3 gewann. Eberhard Werth, der die viertägige Tour in einem BMW 635 CSI unter die Räder nahm, war schon die zweite Histo-Monte 1994 mitgefahren und bekannte: „Überhaupt kein Vergleich.“ Zum 60. Geburtstag hatte er sich entschlossen zum Wiederholungstäter zu werden. Und was hat sich seitdem geändert? „Na ja, damals war man 20 Jahre schlanker.“
Die Lobhudeleien resultierten natürlich auch aus der Kombination Mittelmeer, Sonnenschein und Monte-Strecken. Tim Westermann konnte seine Begeisterung im Seat 127 der historischen Seat-Abteilung kaum zügeln: „Heute mal selbst auf den Spuren der Rallye Monte Carlo zu fahren, war ein tolles Gefühl“, sagte der Journalist, der sonst die Rallye-Weltmeisterschaft begleitet, aber eher im Service-Park am Computer. Die fernsehbekannte Automechanikerin Lina van de Mars bekannte, dass sie im Zweifelsfall lieber die moderne Rallye anstatt unter Gleichmäßigkeitsbedingungen bestritten hätte, aber so richtig geheuer wäre ihr der Ritt mit Vollgas dann doch nicht gewesen: „Wenn du siehst, wie es da rechts runter geht, weißt du schon, was das bedeutet.“
Der letzte Tag der AvD-Histo-Monte war zwar der kürzeste, hatte es aber nochmal in sich. Mit dem Col St. Raphael, dem Col de la Porte und dem Col St. Roch standen gleich drei Klassiker der Monte auf dem Programm. Der Col St. Roch gehörte 2013 noch zur Nacht der langen Messer. Der abschließende Col de Castillon oberhalb von Sospel war in früheren Jahren eine gern genommene Strecke für den Shakedown. Und dann thronte natürlich über allem der heilige Berg des Rallyesports. Der Col de Turini mit seinen 1607 Metern bildete natürlich das Dach auch dieser Histo-Monte und diente gleichzeitig als Sonnenterrasse. Wer konnte, saß bei der Mittagsrast im Hotel Trois Vallées auf dem Turini-Gipfel draußen bei Gulasch mit Nudeln, oder bewunderte drinnen die unzähligen Fotos und Autogramme der Stars von Walter Röhrl bis Michael Schumacher, die sich hier oben alle schon die Ehre gaben.
Eine Kaffeefahrt war die finale Schleife von Nizza zum Quai Albert in Monte Carlo mit ihren fünf Abschlussprüfungen allerdings nicht. Schnitte zwischen 40 und 47 waren auf den anspruchsvollen Bergstrecken mit ihren zahllosen Kehren durchaus kein Pappenstiel. So durften sich Männer wie Peter Caspar-Bours als Helden führen. Der Aachener kämpfte sich in seinem Mini 1000 mit 35 PS die Berge hinauf. Der Porsche 928S von Klaus Tropp wurde zu heiß. Dampfblasen im Benzin legten ihn auf einer Prüfung lahm. Der Elfer von Peter Göhringer krankte an Gaszugproblemen. Hanns-Werner Wirth musste seinen Fahrer Eberhard Hess drei Tage mit zickendem Tripmaster durch die Gegend lotsen. Andreas Leue schnaufte tief durch, denn am Skoda Octavia von 1961 brach nach der Windschutzscheibe am Freitag kurz vor der letzten Abfahrt eine Felge. Zum Glück kündigten böse Geräusche von links vorn das Malheur rechtzeitig an. Beifahrer Andreas Of bekannte: „Ich kann nicht sagen, ich hätte nichts erlebt.“
Der Star im Skoda-Team war der siebenmalige deutsche Rallyemeister Matthias Kahle im 130 RS. Doch der Görlitzer beklagte immer wieder ominöse Abweichungen in seinen Schnittkalkulationen. Kahle robbte sich trotzdem im Finale noch von Platz elf auf Rang acht vor, der zweimalige Histo-Monte-Sieger gehörte aber immerhin mit dem Team Skoda Auto Deutschland zu den Siegern der Team-Wertung. Die Gewinner der letzten Histo-Monte, Lars Blunck und Norbert Aschmann, konnten im Opel Ascona A dieses Mal nicht in den Spitzenkampf eingreifen, sicherten sich aber die Sanduhr-Klasse. Von kleinen technischen Problemen und einem Ausrutscher in den Schnee ließ sich Jens Herkommer im Skoda 120 L nicht irritieren. Der Schwarzenberger, der für die Vorbereitung sämtlicher Skodas verantwortlich zeichnet, schob sich am letzten Tag vom dritten auf den zweiten Rang vor und ließ das Porsche 356-Team Horst Weck und Udo Pilger hinter sich.
Ganz vorn landete ein Anfänger. Zwar hat Dominik an der Heiden schon unzählige Köln-Ahrweiler-Schlachten und andere Rallyes hinter sich, aber der Weselaner hatte zuvor noch nie eine Gleichmäßigkeits-Rallye bestritten. Beifahrer Werner Neugebauer lotste den Niederrheiner im Porsche 914-6 souverän über die insgesamt 26 Prüfungen. Auch ein Vergaser-Problem, das den Verbrauch astronomisch nach oben schraubte, konnte den orangefarbenen Mittelmotor-Brüller nicht stoppen. „Ich habe so was ja noch nie gemacht, aber Organisator Peter Göbel hat mich überredet, und jetzt bin ich überzeugt.“
Während der Gesamtsieg der 19. AvD-Histo-Monte zum ersten Mal seit 2002 wieder an einen Porsche ging, feierten auch andere Marken und Recken, selbst wenn es keine Pokale gab. Als echte Siegertypen fühlten sich am Ende Dirk Appel und Daniel Dumpe. „Es hat uns ja jeder gesagt, dass der Integrale niemals durchhält, aber das Auto ist super gelaufen“, schwärmte Dumpe. Fahrer Appel gestand: „Wir haben noch nie eine Gleichmäßigkeitsrallye gefahren und haben unser Planziel voll erreicht. Wir wollten unter die besten 30 kommen.“ Das Duo aus dem westfälischen Nordkirchen hat ihr Soll sogar weit übererfüllt: Es landete auf Platz 20.
Helge Dykesteen war mit einem Peugeot 504 aus dem norwegischen Stavanger angereist, und hatte somit schon anderthalbtausend Kilometer auf dem Tacho, als es losging. Zwar tankte der Nordmann zwei Mal versehentlich Diesel statt Benzin, aber das konnte ihn auf dem Weg ans Mittelmeer nicht aufhalten. „Ich habe die lange Anreise nicht bereut“, sagte Dykesteen im Ziel. Während er selbst wegen eines Geschäftstermins mit dem Flugzeug heimreist, wird sich Beifahrer Ove Torsteinbo am Montag hinters Steuer der französischen Limousine setzen und in vier Tagen wieder in die Heimat fahren. Eine ähnliche Tour hatte auch die Besatzung des Subaru Impreza vorzuschlagen: „Wäre das nicht eine Idee, die Rallye in nochmal vier Tagen nach Mainz zurückzufahren?“ Liebe Leute, nach 1800 Kilometern habt ihr immer noch nicht genug? Auch hier ähnelten sich die Aussagen verblüffend deutlich. Wie sagte Quattro-Fahrer Dietmar Gornig in Monte Carlo: „Wir wissen eigentlich gar nicht mehr, wie viele Tage wir schon unterwegs sind, aber einer ginge immer noch.“
Und dann war da noch …
Das vielleicht exotischste Exemplar, das bei dieser Histo-Monte durch den Start- und Zielbogen rollte. Der Schweizer Roman Küng brachte mit seinem deutschen Beifahrer Oliver Steil einen Mazda 626 mit GLS-Ausstattung an den Start und auf Rang 39 ins Ziel. Das rötlich-güldene Gefährt war nicht nur in erstaunlich gutem Zustand, sondern verwöhnte seine Insassen auch mit umfassender GLS-Ausstattung. Der sonst eher bieder wirkenden Limousine verlieh ein schwarzer Heckflügel auf dem Kofferraumdeckel etwas Verwegenes. Das wirklich Besondere an dem in Oldtimer-Kreisen eher seltenen Japaner war aber, dass es sich praktisch um einen Neuwagen handelte. 1980 gebaut, verbrachte er ein Vierteljahrhundert in einer Lagerhalle, bis ihn Küng wachküsste. Beifahrer Wollerau berichtete: „Als wir aufgebrochen sind, hatte das Auto 500 Kilometer gelaufen. Im Ziel zeigte der Tacho 3023 Kilometer, und was für welche.“
Text: Markus Stier