Die 19. AvD-Histo-Monte hat das Kernland der klassischen Rallye Monte Carlo erreicht. 66 Teilnehmer arbeiteten sich auf der dritten Etappe bis ans Mittelmeer vor. Obwohl, Arbeit war nicht das richtige Wort.
Aix-les-Bains war schon ein halbes Dutzend Mal Sammelpunkt der Rallye Monte Carlo und Start der großen Schleife. Bei der AvD-Histo-Monte diente die für ihre Thermalquellen berühmte Kleinstadt am Samstag als Etappenstart in die Kulissen eines Fantasyfilms, der südlich von Chambery mit dem Aufstieg zum Col de Romeyere, der sich 1069 Meter hoch durch das felsige Vercors schraubt. 500 Meter bohrt sich der Tunnel von Ecouges durch eine fast senkrechte Wand. Das finstere, grob behauene Loch machte aus der Route eine Geisterbahn, und mancher Teilnehmer atmete tief durch, als sich die dunkle Silhouette am Ende des Schachts nicht als zorniger Zwergenkönig Thorin Eischenschild entpuppte, sondern als harmlose Fotografin.
Das Motiv war kaum zu schlagen: Vorn das gähnende Loch, aus dem zuweilen finsteres Grollen dröhnte, wenn einer der Porsche sich den Weg durchs Dunkel bahnte. Rechts der gähnende Abgrund hinter tückischen Schneewächten, links hingen Eiszapfen vom überhängenden Fels wie die Pfeifen einer Höllenorgel. Doch wenige Kilometer weiter öffnete sich die Schlucht zu einer bewaldeten Hochebene. Die Sonne fraß sich durch den Hochnebel und enthüllte einen Zauberwald. Die Abfahrt nach Die bot mit mächtigen Felspfeilern, und wie mit Wasserfarbe gepinselten Bergen am Horizont ein grandioses Bild, so dass es in der Mittagspause in Aubignosc reichlich zu bereden gab.
Wo er doch ohnehin nur 40 Kilometer entfernt wohnt, schaute Ari Vatanen mit Familie vorbei. Der Weltmeister von 1981 und Monte-Carlo-Sieger 1985 fühlt sich zwar mit 62 Jahren immer noch zu jung, um Oldtimerrallyes zu bestreiten, hatte aber für die Teilnehmer der Histo-Monte einen wertvollen Tipp parat: „Normalerweise versucht man bei Rallyes ja immer zu vermeiden, einen Baum zu treffen, bei der Monte bist du froh, wenn du einen Baum triffst. Also: Zielt auf die Bäume.“
Eigentlich war diese Option natürlich nur für den Fall gedacht, dass ein gähnender Abgrund für freien Fall gesorgt hätte, einige kreative Starter fanden Alternativen, um sich im Notfall abzustützen. Andreas Radewagen schmiegte seinen Porsche 924 sanft an ein Postauto. Der linke Klappscheinwerfer litt anschließend an einem hängenden Augenlid. Michael von Klodt rutschte in der Prüfung Lesches-en-Diois auf Split aus und traf ein eisernes Brückengeländer. Der 316 aus BMW-Museumsbeständen kam aber mit einem leichten Frontschaden davon.
Auf der gleichen Prüfung rutschte Jens Herkommer beim Versuch einem Traktor auszuweichen in einen verschneiten Graben, konnte aber befreit werden. Marken-Kollege Herbert Gartenschläger und sein Beifahrer Alexander de Becker waren nach der Einsamkeit des Vercors den Rummel im Skigebiet des Col de Carri nicht mehr gewohnt und bogen erstens falsch ab und steckten zweitens nach 50 Metern mit ihrem 130 RS in einer Schneewand. Aber der frühere DDR-Rallyemeister war schnell wieder auf Kurs gebracht. Auch das Audi Coupé von Michael und Wolfgang Nover landete einmal im Graben, konnte sich aber auch ohne Allradantrieb wieder befreien.
Ernster lag der Fall des Porsche 928 GTS von Frank Hönsch und Wilhelm-Friedrich Lauterborn. Die Startnummer 53 musste mit einem Lenkungsdefekt aus Sicherheitsgründen aufgeben. Wulf Fischer-Knuppertz und Lothar Gronard schafften es zwar bis zum Mittelmeer, hatten aber an ihrer Fulvia nur noch die Gänge zwei und drei zur Verfügung und mussten am Abend aufgeben. Reparabel dagegen ist der gerissene Gaszug am 54er-Lufthansa-Käfer. Fahrer Hans-Wilhelm Dercks rettete sich auf den letzten 50 Kilometern mit Standgas bis Nizza.
Aber nicht nur das Material zeigt Ermüdungserscheinung. Dominik an der Heiden erlitt im Porsche 914 am Lac de Castillon einen Krampf im Bein, konnte die Prüfung aber beenden und übernahm sogar die Führung, denn das zwei Tage vorn liegende Duo Richter und Dumpe erlitt einen mentalen Schwächeanfall und stürzte auf Platz 42 ab. Eichung des Tripmasters versehentlich verstellt, Schnittcomputer falsch programmiert, Sollzeit falsch eingegeben. „Auf jeder Prüfung lief irgendwas schief“, sagte Thomas Richter im Etappenziel. Zu allem Überfluss produziert das linke vordere Radlager unangenehme Geräusche. „Wir hoffen, dass es morgen noch durchhält.“
Die Konzentration lässt nach zweieinhalb Tagen spürbar nach. Die Hälfte des Feldes verpasste am Lac de Castillon einen Abzweig und kassierte ordentlich Strafpunkte; darunter auch die bisherigen Dritten, Horst und Jörg Friedrichs, die im Opel Ascona A auf Platz sieben zurückfielen. Gewinner des Tages waren ihre Teamkollegen Horst Weck und Udo Pilger, die sich auf Platz zwei vorarbeiten. Trotz eines gescheiterten Versuchs, seinen Skoda 120 L zum Schneepflug zu machen, robbte sich Jens Herkommer auf Rang drei vor.
Aber auch die Müden und Beladenen bekamen am Nachmittag noch einmal die zweite Luft, als ein kleines Schild hinter dem Dörfchen St. Auban den Weg nach Aiglun wies. Die gleichnamige Schlucht ist ein Monte-Klassiker. Die Bilder von zwei durch eine halsbrecherische Brücke verbundenen Tunneln und die sich neben einem 80 Meter tiefen Abgrund an einer überhängenden Felswand entlangschlängelnde Sträßchen hinterließen bei den meisten Teilnehmern einen tiefen Eindruck. Daniel Dumpe, Beifahrer im Lancia Integrale von Dirk Appel, kriegte sich gar nicht ein: „Der geilste Tag, den ich je gefahren bin.“
Und dann war da noch …
Die frohe Erwartung der Fotografen in der Schlucht von Aiglun auf die Startnummer 26. Hannes Streng musste seinen Sechs-Meter-Oldsmobile auf einspuriger Straße zwischen Felswand und Mauer entlangzirkeln. Mit Staunen begutachteten die im Ziel eingelaufenen Teilnehmer die unversehrten Kotflügel des 2,05 Meter breiten Giganten. „Die haben wir nachlackiert“, sagte Streng grinsend, um dann fast ernst zu werden: „Ganz ehrlich? Da hat links und rechts gerade mal ein Blondinenhaar zwischengepasst.“
Text: Markus Stier