In strahlender Wintersonne brachten fast alle der 70 Teams die Technische Abnahme für die 19. AvD-Histo-Monte schon hinter sich und wärmten sich an der Vorfreude auf vier tief verschneite Tage auf knapp 1800 Kilometern bis Monte Carlo.
Mit martialisch kettenbewehrten M&S-Reifen auf dem Dachgepäckträger seines zitronengelben Porsche rollt Hans Brückmann vor den Startbogen. Der Himmel ist strahlend blau, die Februar-Sonne lässt den Mainzer Martins-Dom in hellem Orange leuchten, aber Brückmann lässt sich nicht täuschen: „Ich habe den Wetterbericht gesehen.“ Tatsächlich hat ein dickes Tiefdruckgebiet vom Schwarzwald bis zum Var-Tal jede Menge Neuschnee gemeldet. Die 19. AvD-Histo-Monte verspricht eine der winterlichsten Ausgaben ihrer Geschichte zu werden.
Fast alle der 70 Teilnehmer rollten bereits am Mittwoch, den 4. Februar, durch den Startbogen. Sie alle eint die Suche nach Schnee und Eis. Sommerausfahrten für Oldtimer gibt es schließlich genug. Stolz verweist Herbert Gartenschläger auf die Plastikfolie, die den Lufteinlass auf der Fronthaube seines Skoda 130 RS bedeckt. „Die brauchen wir, um den Motor aufzuwärmen“, sagt der zweimalige Rallye-Meister der DDR fröhlich. Die gute Laune resultiert auch aus dem Wissen, dass seine Mechaniker speziell für die Histo-Monte eine Heizung eingebaut hatten, die im „Porsche des Ostens“, der in diesem Februar seinen 40-jährigen Geburtstag feiert, ansonsten keineswegs serienmäßig war.
Frost und Glätte können Helge Dykesteen nicht beeindrucken. Schon vor dem Start zur 1780 Kilometer langen AvD-Histo-Monte hatte der Norweger eine 1400 Kilometer lange Anreise aus Stavanger hinter sich. In einem Peugeot 504, der seit 38 Jahren im Familienbesitz ist, hat der Mann mit der längsten Anreise schon fast eine Rallye hinter sich. Die Anfahrt aus Stavanger über den bis zu 33 Prozent steilen Tronasen gehörte in den 30er-Jahren tatsächlich zur offiziellen Rallye Monte Carlo.
Vor 50 Jahren erstickte die Monte in einem echten Schneechaos, und Experten wähnten allein die Skandinavier fähig, den Fallen von Väterchen Frost zu entkommen. Dementsprechend steht Peter Steinfurth nicht wenig unter Druck. Zum einen hat er mit Mike Giesche einen Fuchs auf dem Beifahrersitz, der die Histo-Monte 2007 gewann, zudem fährt der Chefredakteur der Zeitschrift Oldtimer Markt einen vom zweimaligen Monte-Sieger Erik Carlsson handsignierten Saab 96. „Wir haben zwar nur 60 PS, aber der Saab hat eine gute Traktion und ist sehr leicht.“, schwärmt sein Lenker. Das Wetter kann ihn ohnehin nicht schrecken: „Schnee und Eis, all die Sachen, die normale Leute nicht mögen, dafür sind wir ja hier“, schwärmt Steinfurth und lässt den Zweitakter vor einigen hundert Zuschauern ordentlich orgeln, um sich von dem neben ihm parkenden Oldsmobile Delta 88 Royale mit 7,5-Liter-V8 nicht den Schneid abkaufen zu lassen. Der Wetterbericht für Südfrankreich beichtet für diesen Donnerstag Regen, aber das ficht Cabrio-Freund Hannes Streng im 5,59 Meter langen Straßenkreuzer nicht an: „Wenn es nicht gerade Katzen und Hunde regnet, fahren wir offen.“
Der siebenmalige deutsche Rallyemeister Matthias Kahle kann an seinem Skoda 130 RS gerade mal ein kleines Schiebefenster öffnen, durch das er aber mit dem Lorenz um die Wette strahlt: „Ich freue mich auf die Strecken und auf den Schnee.“ Dass sein Alltagsgeschäft eher Vollgas ist als Gleichmäßigkeit, verleidet Kahle nicht die Laune. Der zweimalige Histo-Monte-Gewinner erwartet trotzdem reichlich sportliche Herausforderungen. „Wenn Schnee liegt, sind die Schnitte, die wir schaffen müssen, schon ganz ambitioniert.“
Schwerer als die letzten Sieger Lars Blunck und Norbert Aschmann, die mit der Startnummer 1 in ihrem froschgrünen Opel Ascona A den Sieg bei der letzten Histo-Monte 2012 verteidigen wollen, trugen an diesem wunderschönen Winternachmittag nur die beiden Schwellköpfe, zwei enthusiastische Karnevalisten, die mit ihren 22 Kilo schweren Pappmaché-Köpfen als Vertreter der Stadt Mainz daran erinnern sollten, dass der Startort der Rallye eine absolute Karnevalshochburg ist. Die Histo-Monte schickte den ersten Zug schon knapp zwei Wochen vor Aschermittwoch durch die Domstadt. Verwirrt das nicht die Bürger?
„Da habe ich keine Sorge“, sagt Oberbürgermeister Michael Edling, der es sich nicht nehmen ließ, von seinem Büro in der Altstadt bei der Technischen Abnahme vorbeizuschauen. „Die Mainzer mögen solche Spektakel und wir hoffen, wir sind ein guter Gastgeber für die Rallye. Unser Zug hat mehr Wagen und ist sieben Kilometer lang, aber hier sind die Wagen schöner und als besonderer Genuss kommt ja noch der Klang dazu.“ Der Chef im Mainzer Rathaus kommt selbst aus einer Auto-Familie: „Mein Vater hatte eine Kfz-Werkstatt. Mir ist der Geruch von Motoröl nicht fremd.“
Seine Stadt Mainz sieht sich als die Weinhauptstadt Deutschlands, und so fuhren die Teilnehmer nach der Abnahme folgerichtig durch ein Spalier von Rebstöcken in den Sonnenuntergang, um ihre Tripmaster frisch zu eichen. Den Abend vor dem Start verbrachten die 70 Besatzungen beim Fahrerfest stilecht im Weingut Battenheimer Hof. Selbiges wirbt für sich als ein „Stück Toscana in Rheinhessen“, ein krasser Gegensatz zum winterlichen Schwarzwald, der am ersten von insgesamt vier Rallye-Tagen am Donnerstag auf die Teams wartet. Wer extra zum Erleben der Schrecken des Eises und der Finsternis seine Nennung abgegeben hat, dürfte nicht enttäuscht werden. Das Vorausfahrzeug fand im Staatsforst Merzalben schon am Tag vor dem Start kein Durchkommen. Wegen der Schneemassen im Pfälzer Wald südlich von Kaiserslautern muss die vierte Prüfung abgesagt werden.
Wussten Sie schon?
Laut Starterliste ist der 1953 gebaute Fiat 1100 TV 103 von Jürg Hügli und Hermann Unold das älteste Fahrzeug im Feld. Diesen Ehrentitel musste das deutsch-schweizerische Team bei der Technischen Abnahme jedoch überraschend abgeben – an ein Vehikel aus der Vorkriegszeit, das den Weg nach Monte Carlo ganz ohne Räder und Motor schaffen will. Die Rede ist von einem 1913 gefertigten Holzschlitten, der auf dem Dach des Audi 200 Turbo von Karl-Heinz Ehrhardt und Helma de Vries transportiert wird. „Auf dem Schlitten sind schon mein Großvater, mein Vater und ich gefahren – und jetzt wollte meine Beifahrerin mal eine richtige Schlittenfahrt machen“, erklärt Ehrhardt mit verschmitztem Lächeln.
Text: Markus Stier